Predigt am Sonntag
Exaudi (20.5.12)
Jeremia 31, 31-34
Siehe,
es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit
dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund gewesen ist, den
ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus
Ägyptenland zu führen, ein Bund, den sie nicht gehalten haben, ob ich gleich
ihr Herr war, spricht der HERR; sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem
Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein
Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk
sein und ich will ihr Gott sein. Und es wird keiner den andern noch ein Bruder
den andern lehren und sagen: »Erkenne den HERRN«, sondern sie sollen mich alle
erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre
Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.
Ein Bund mit sich
Menschen gehen Bündnisse ein.
Manchmal wie Staaten. Bündnisse mit anderen Menschen, eine Wegstrecke zu zweit,
zu dritt, zu mehreren. Viele Bundesschlüsse werden selten ausdrücklich
ausgesprochen, meistens ergeben sie sich still und nach und nach und halten
ihre Zeit. Manch ein Bund wird von Kinderhand mit Blut besiegelt, erwachsen mit
großer Hoffnung feierlich geschlossen und dann mit Leid gefüllt. Menschen
brechen Bündnisse, schweren Herzens, fahrlässig, die Zeit tut das ihre, mancher
Bund verliert sich im Niemandsland und wir gehen von einem zum anderen. Manch
Bund atmet die Ewigkeit.
Mit Fortuna und dem Teufel im
Bunde, mit den normalen Bösewichten und höheren Mächten im Bunde. Und immer in
all den Bündnissen unseres Lebens, den Lebens- und Bündnispartner, verdeckt,
selten gestellt, in dunklen Stunden aufgebrochen, in bestimmten Momenten als
tiefes Glück erfahren, die eine Lebensfrage: Sind wir mit uns selbst im Bunde,
haben wir uns selbst als Bündnispartner, schließen wir mit uns den Bund, der
Leben heißt und unser Glück sucht; und wie oft, wo und warum brechen wir mit
uns selbst, mit dem uns eingeschrieben Plan vom Leben, den Bund und verlieren
uns als Bündnispartner?
Noch näher
Noch näher, höre ich Gott sagen.
Noch näher an den Menschen heranrücken. Es hat wohl nicht gereicht, den
Menschen aus der Sklaverei in die Wüste und in die Freiheit zu führen, ihn nur
an die Hand zu nehmen. Dem Menschen hat diese führende Hand nicht gereicht; er hat
sie aus seiner Hand verloren, er ist einen anderen Weg gegangen, hat Gott nicht
vertraut, ging auf innerliche Distanz zu ihm und Gott im Bund verloren.
Noch näher hin zum Menschen. Sagt
Gott. All das, was im Bruch des Bündnisses kam, vergessen, vergeben, seine
schmerzende, trennende Kraft nicht so lebendig, so nah sein lassen, sondern wie
wegräumen, wie wegmachen, wirklich vergangen sein lassen, Sünde, Missetat,
Abbruch. Nicht mehr daran denken. Im Kopf Gottes.
Noch näher, viel näher an den
Menschen heranrücken, keine Distanz mehr da, mehr einbrechen lassen, die Hand
zu geben, hat nicht gereicht; Gott rückt näher, viel näher heran. Wie weit auch
der Mensch abrückt, Gott rückt näher. Einen neuen Bund, ein noch näherer,
unvergleichlich nah, dicht. Spricht Gottes Herz, sein unbändiges Bundesherz,
das näher rückt, näher schlägt.
Eingeschrieben
Ein Wunder für uns. Ein Wunder
seiner Liebe. Gott will sich ganz geben in uns, in unser Leben, wirklich
hineinbegeben, hineinlegen, hineinschreiben, in uns, in unseren Sinn, in unser
Herz.
Mitten hinein in all das, was
sonst hineingeschrieben ist in uns, hineingelegt worden ist durch Väter- und
Mutterhände, - worte, durch das, was uns erzählt und eingebläut wurde, was uns
still verheißen und versprochen wurde, was uns hart entrissen und liebevoll
geschenkt wurde, eingeschrieben in uns, in unser Lebensherz, in sein Schlagen
im Takt der Lebenszeit, mitten in unser eingeprägtes Leben, in die Spuren,
gefurcht von der Erfahrungen mit uns selbst, mit anderen und mit den Mächten
unseres Lebens, dorthin schreibt sich Gott ein, neu, immer neu, weil er all die
anderen Schriftzüge wie überschreiben möchte, weil er unser Leben zart,
behutsam, bestimmt umschreiben möchte, dass er sich drin liest.
Gott will uns nicht äußerlich
bleiben, deswegen reicht die Hand nicht, sondern nur das Herz, innerlich will
er uns werden, so nah wie irgend möglich. So innerlich, in unser Leben
hineingeschrieben wird er des Menschen Gott sein und die Menschen seine
Menschen, werden sie ihn erkennen, wie er sie erkennt, eine Erkenntnis, die dem
Umarmen von sich Liebenden gleicht, ein Erkennen, das um den Herzschlag, um die
Sehnsüchte, um die Angstgespenster, um den Sinn, um das Dunkle, um die Schuld,
um das Geheimnis des anderen tief weiß. Ein Erkennen, was Leben meint, Atmen.
Bundesglück
Gottes Weg, sein Näher zu dir
hin, ins Herz, sein Einschreiben mag auch ein Weg des Schmerzes sein, Bis ans
Herz zu kommen, bis ins Herz zu kommen, meint auch: Durchzukommen, durchzustoßen
bis an unseren eigenen Tiefengrund, an den Kern all unserer tragischen und
glücklichen Lebensbündnisse; es ist vielleicht jener Schmerz, den Jesus am
Kreuz durchlitt.
Am Herz angekommen, Gott ins Herz
eingeschrieben, ist es die Antwort auf die Frage nach unserem Bund, nach
unserem Bund mit uns selbst. Gott schreibt sein Gesetz, seine Lebensweisung,
sein Weg zum Leben, zu unserem Leben in unser Herz ein. Gott schreibt jedem
sein Weg zu seinem Leben in sein Herz, sein Plan vom Glück, seine Bestimmung.
Gott schreibt Jesus, seinen Weg zu uns, sein Lebensplan für uns ins Herz,
lebendig schreibt er ihn uns ein, geistvoll, gegenwärtig, unser Herz wie mit
ganz eigenen seinem Lebensblut pulsierend.
So nah, so unglaublich liebevoll
nah mit Gott im Herzen, mit seinem Lebensplan für sie, können Menschen sich gar
sich selbst fern und fremd sein, kommen sie sich selbst nah, dem, wie sie leben
können. So nah, so unglaublich liebevoll nah, mit Gott eingeschrieben, mit ihm
den neuen Bund geschlossen schließen wir den Bund, sind Mensch mit sich selbst
selig im Bunde. Amen.