Predigt an Neujahr 2014 (1.1.14) zur
Jahreslosung:
„Gott nahe zu sein ist mein Glück“ (Psalm 73, 28)
Nah und fern
Scheinbar ist alles schön ausbalanciert. Doch manchmal kommt
etwas so nahe, dass Tränen uns über die Wangen fließen und tropfen, und ab und
zu wünschen wir uns jemanden auf den Mond, soweit weg und so fern, wie es nicht
geht. Vieles und viele können wir uns auf Distanz halten, es nicht an uns
ranlassen, und wie ist es, wenn wir uns fast verlieren im anderen und Grenzen
zerfließen.
Vielleicht ist alles eine Frage von Nähe und Ferne, von
Entfernung, und unser Leben hat die Aufgabe, zwischen beiden einen Weg zu
finden, vom Entscheidenden sich fernzuhalten und zum Entscheidenden die Nähe zu
suchen; das Böse zu meiden, dem Unglück zu fliehen, Zuneigung zu suchen, an
Herzenswärme sich zu nähren; sich den richtigen Menschen anzunähern, sich
bekannt zu machen, sich zu befreunden, Nähe zu zeigen und Nähe zu wünschen,
Grenzen nach und nach zu verschieben, um eine letzte zu respektieren; und das
Ferne fern zu lassen, als das, was zu Recht aussteht, nicht da ist, vielleicht
auch nie da sein wird. Und beides bedeutet Sehnsucht, nach Nähe und nach Ferne,
nach Geborgenheit und Fremde, nach berührt und verwirrt werden, und im Moment
der Liebe fällt beides in einen Augenblick, wenn Intimität den anderen als mein
Fremdes und Geschenktes erlebt.
Wenn Gottes große Liebe wir und Jesus sind, wir immer nach seinem
Weihnachten leben, dann ist in Jesus beides im Grunde beschlossen: Nähe und
Ferne.
Ein naher Gott
Mit Jesus, der Geburt des Gottessohnes auf Erden, hat Gott
seine Nähe beschlossen. Er will ein naher, ein sich nähernder Gott sein. Das
ist er nie nur, auch ist er Allmacht, Zorn, Eifer, Heiligkeit, Größe, auch ein
ferner Gott, aber er gibt Nähe den Vorzug, der Verringerung der Distanz, denn:
Liebe zieht an, magnetisch, kraftvoll, denn Liebe will unbedingt zum anderen,
denn Gott sucht der Menschen Nähe.
Und Gott stellt Nähe zu sich her. Das ist ganz und gar seine
Sache. Und dass und wo dies geschieht, da ist es Glück zu nennen, denn es ist
ein geschenkter, gewährter, ein wunderbarer Moment. Und Gott sucht ja immer die
Nähe und so ist er immer nahe- und zuvorkommend. Auch wenn wir Erdenkinder die
Nähe nicht oder anders spüren, oder wenn wir verschiedene Zeiten dafür kennen oder
wenn wir dafür ganz verschiedene Bezeichnungen haben oder wenn wir daran
zweifeln, fast verzweifeln. Auch wenn wir ihn fern fühlen, weg, weit weg,
abwesend, auch dann bleibt es dabei: Er ist ein
naher Gott. Das macht die gespürte Ferne nur bitterer.
Und selbst Jesus, die Nähe der Liebe Gottes, zweifelte am
Ende und spürte Gott weit entfernt und sich verlassen, er ihn, er seinen Gott,
den er auf wunderbare Weise den Menschen so nahe brachte, dass Gott da wurde
und war und blieb. In Jesu Worten, Taten, Liebeswundern kam Gott den Menschen
so nahe, dass er in ihr Leben kam und sie ihn gegenwärtig spürten, umfangen wurden
von der Macht einer tiefen Liebe.
Das Glück der Nähe
Es gibt wohl mehr als tausend Wege zum Glück, so viele wie
zum Unglück. Es gibt mehr als tausend Worte für Glück und einer davon heißt
„Gott“. In seiner Nähe ist Glück. Seine Nähe bedeutet Glück. Es ist wie in den
Armen dessen, den man liebt und der einen liebt, in dessen Armen ist das Glück,
liegt das Glück, ist man tief beseelt, erfüllt, aufgewühlt und still angerührt,
selig, glücklich. Gott ist Ort des Glücks, denn Gott ist Liebe, er ist der, der
uns liebt und den wir lieben, manchmal lieben sollen, manchmal es kaum spüren oder
darum kämpfen. Aber ein nahender Gott ist der liebende Gott und in der Nähe
eines Liebenden, eines liebendes Gottes, da ist Glück, Seligkeit, Erfüllung.
Nie so, als sei damit das Leben gelungen oder perfekt, als
gäbe es nicht vorher und nachher Unglück, Schatten, Schmerz, Verzweiflung,
Bitterkeit, Fragen, Böses. Vor all dem schützt die Liebe nicht, die Liebe aber
schenkt uns Nähe, Intimität, lässt uns teilhaben an dem, der hindurch trägt und
Wunden pflegt, der Böses bekämpft und Kraft schenkt, der vor Versuchung warnt
und verzeiht, der um das Kostbarstes in uns weiß und ringt.
Jesus war nie glücklich. Das war weder Thema noch Ziel für
ihn. Die Nähe Gottes war sein Plan und Weg. Er hatte nach menschlichen
Maßstäben wirklich viel Unglück zu erleiden, aber auch manches Glück. Am Ende
fiel für ihn beides so in einen Zeitpunkt, dass es ein Wunder bedurfte. Jesus
lebte so aus der Nähe Gottes, dass er
sie nicht nur den Menschen brachte, sondern er selbst eine geheimnisvolle
Seligkeit empfand, eine Seligkeit derer, durch die Gott hindurch leuchtet.
Nähe suchen
Das kommende Jahr steht noch ganz frisch vor uns. Es ist ein
rein menschlicher Zeitenschnitt. Gott hat nur die Ewigkeit und alle Zeit.
Zumindest für uns könnte es eine bevorstehende Aufgabe sein, das Glück im
kommenden Jahr zu suchen. Es wird uns kaum gelingen. Das Glück war schon immer
schwer zu finden. Wir könnten dagegen die Nähe suchen, die Nähe zu Gott suchen,
die Nähe, die allein er uns schenkt.
Denn: Liebe lässt sich gerne finden. Auch wenn sie einem
geschenkt wird. Und Nähe suchen ist vielleicht urmenschlich. Menschen suchen
Nähe und haben fast immer ein gutes Gespür dafür, wo heilsame, guttuende,
liebende Nähe zu finden ist. Der Nähe Gottes vertrauen, sich nicht irr machen
lassen durch andere Auskünfte über Gott, darauf vertrauen und im Notfall darauf
setzen, dass er meine Nähe will, dass er seine Nähe zu mir sucht, findet und
schenkt. Darauf hat Jesus still auch im Tode letztlich vertraut.
Und viele, die sich Jesus annäherten und denen Jesus die Nähe
Gottes schenkte, begannen letztlich bei sich, begannen in und bei sich nach der
Entfernung, nach dem entstanden Abstand zu Gott, zur Liebe zu fragen, zu
suchen, und wurden über die Frage hinweg nachdenklich, kamen sich selbst näher,
öffneten sich und waren dann bereit für die Nähe Gottes, wurden von seiner
Liebe berührt.
Und dann passiert, geschieht: Kurz die Balance verlieren, die
zwischen Nähe und Ferne, die Menschen austarieren, für einen Moment: Gottes
Unnahbarkeit beruhigend ahnen, allen Abstand zu ihm sehen und aushalten, nur
seinen Saum anfassen, den nächst höheren Baum besteigen, zum unter die Räuber
gefallenen Menschen sich hin knien, das Glas voll Salböl nehmen, eine unschätzbarer
Nähe berühren und selbst berührt werden von ihr, von Gott, seiner Liebe und
glücklich werden für jenen einen ewigen Moment. Amen.