Sonntag, 18. März 2018

Mutabor


Gottesdienst zur Südkonferenz 16. März 2018
 Bildergebnis für julia antonia mutabor
Ein Kreuz
Passionszeit. Das Bild zeigt ein Kreuz. Es stammt von der Berliner Künstlerin: Julia Antonia.
Das Kreuz ist eine Grundform des Lebens, denn im Leben überkreuzt sich immer etwas. Die Kunst hat das Kreuz kultiviert und früh hat die Religion das Kreuzförmige als Symbol aufgenommen. Die Urform: Zwei Linien, zwei Balken, quer und hochkant miteinander, verbunden sind sprechend für menschliche Sehnsüchten zwischen Himmel und Erde, zwischen den Gewalten.
Durch Jesu Tod ist das Kreuz Symbol und Zeichen des Christentums und in die Verbindung von Himmel und Erde tritt eine eigene Dimension: Der Tod Jesu als Verbindung von Himmel und Erden, Gott und Mensch.
Außer auf Golgatha gibt es Kreuze an vielen Orten: Draußen, am Hals, in Kirchen. Es gibt Kreuze als Schmuck ganz ohne christliches Bewusstsein und es gibt im Bekreuzigen: Ein Mensch unterstellt sich der fast unheimlichen Kraft, die dem Tod Jesu entspringt.
Die Form des Kreuzes unserer Künstlerin ist ein doppeltes Kreuz: Ein weißes Innenkreuz und ein buntes Außenkreuz.
Das Innere tritt erst allmählich, aber dann dominant in den Blick; es ist sehr schlicht, ganz reduziert, alleine die pure Form. Anders ist das äußere Kreuz, es dominiert. Es gibt dem Kreuz auch eine kleine dreidimensionale Form. Es sind 26 Einzelteile, 26 bunte Holzplatten, auf die die Künstlerin 26 Gesichter eingeprägt hat.
Diese Holzplatten sind gleichmäßig zu einer Kreuzform angeordnet, die Holzplatten sind alle quadratisch. Fast möchte man sagen: Quadratisch. Praktisch. Gut. Dieses Kreuz besteht aus dem, was nicht zum Kreuz passt: Aus Gleichförmigem, aus Ebenmäßigem, aus Ordnung. Am Kreuz gerät aber die Welt aus Form und Fugen.

farbig
Dieses Kreuz ist durch seine verschiedenen Farben bunt und bunt passt eigentlich auch nicht in die Passionszeit. Wenn das Kreuz dargestellt wird oder wenn wir es uns vorstellen, wie Jesus daran hing und hängt, dann ist das Kreuz selbst einfarbig, braun, schwarz, grau, wie sich alles Geschehen des Leidens in uns dunkel abschattet. Nur nachträglich wird das Kreuz in der im Handhaben bunter, zumindest silbern oder golden.
In der biblisch überlieferten Passionsgeschichte spielen Farben auch keine Rolle, als sei diese Leidenszeit ausgelaugt, farblos, wie entfärbt. Es wird nur erzählt vom roten Purpurmantel des Spotts und wir stellen uns natürlich das Blut Jesu rot vor und seinem Leib unendlich blass.
Unser Kreuz ist aber absichtlich bunt gemalt, alle diese Quadrate mit ihren skizzenhaften Gesichtern haben eine Farbe und bei ganz genauem Hinsehen hat jedes Quadrat, jedes Gesicht seine eigene sozusagen ganz individuelle Farbe.
Warum soll das Kreuz so aussehen? Will die Künstlerin das Kreuz färben, verwandelt, freundlicher, froher machen? Eigentlich heißt es nur: Das Kreuz besteht aus Farben, aus all unseren Farben, aus der Buntheit des eigenen Lebens, aus dem Rot der Liebe, dem Grün der Hoffnung, dem Blau des Himmels, dem Schwarz der Trauer, dem Gelb der Sonne. All dies ist jetzt am Kreuz, es will mitgekreuzigt werden.

Gesichter
Auf den bunten quadratischen Holzplatten sind 26 Gesichter. Von wem es die Gesichter sind, wissen wir nicht; es sind uns unbekannte Gesichter, aber sie werden uns bekannt, indem wir sie anschauen.
Die Künstlerin unseres Kreuzes hat diese Gesichter, diese Portraits „gemalt“, sie hat diese Gesichter angeschaut und dann blind, in einer Art mentalen Annäherung auf monochrome Holzplatten eingraviert.
In den Gesichtern der Darstellung der Passionsgeschichte spiegelt sich das Geschehen wieder und wird ablesbar. Und das ganze Geschehen konzentriert sich im Gesicht des gekreuzigten Jesu. Alles zeichnet sich in ihm ab.
Welche Gesichter sind uns aus der Passionsgeschichte eingeprägt? Neben dem von Jesus? Die Gesichter der Soldaten, das Gesicht des Pontius Pilatus, das Gesicht der Frauen und Männer um Jesus, das Gesicht Marias, das Gesicht des Petrus, das Gesicht der Räuber links und rechts von Jesus, das Gesicht der Volksmenge, der Vorbeigehenden? All diese Gesichter sind irgendwie auch am Kreuz, ähnelt eines davon den Gesichtern, die da bunt ans Kreuz gemalt sind?
Und unser eigenes Gesicht, das wir vermeintlich wie keines kennen, das unseres ist, das sich schon so sehr verändert hat in seinen Jahren, das aber immer unseres bleibt, wem ist es ähnlich? Von den Gesichtern am Kreuz?

Mutabor
Die Künstlerin hat ihrem, unserem Bild einen Titel gegeben: „Mutabor – ich werde verwandelt werden.“
Das große Verwandeln passt nicht zur Passionszeit, es geschieht doch erst nach dem Kreuz, wenn der Leichnam herunter genommen ist, wenn er im Grab liegt, wenn die Auferstehung kommt. Aber für die, die an der Passion beteiligt sind, bedeutet das Kreuz aber schon Verwandlung: Für die Jünger verwandelt sich die Hoffnung in Resignation, für Jesus verwandelt sich der eigene Glauben hin bis zum Rande des Zweifels, für Gott verwandelt sich Liebe in Hass.
Und die ganze Passion hat die Welt doch irgendwie verwandelt. Ohne die Passion, ohne den Tod Jesu, ohne, dass Gott ans Äußerste gegangen wäre, wäre die Welt nicht die, die sie heute ist. Oder doch? Jede Passionszeit ist Zeit der Verwandlung, schreiten wir diesen Wochen-Weg ab und spüren, es kann uns doch nicht unverwandelt lassen. Vielleicht nicht radikal, aber doch werden wir nach diesen Wochen irgendwie auch andere werden müssen. Ja, mutabor: ich werde verwandelt werden-
„Mutabor“ ist ein Wort aus dem Märchen „Kalif Storch“, und hier ist „Mutabor“ der Zauberspruch:
Wer von dem Pulver in dieser Dose schnupft und dazu spricht: Mutabor, der kann sich in jedes Tier verwandeln und versteht auch die Sprache der Tiere.“
Dieses Märchen und das Kreuz Jesu, beides aus der Welt des Orients, aber größer könnte der Abstand nicht sein; die Passion ist kein Märchen, Jesus keine Märchengestalt, es geht nicht ums Zaubern, nicht um Unterhaltung, sondern um den Tod des Lebens und um unsere eigenen Ernst dabei
Und doch erzählt „Mutabor“ von der Sehnsucht der Menschen, verwandelt zu werden, etwas anderes für bestimmte Zeit zu sein, und etwas zu verstehen, was man vorher und eigentlich nie und überhaupt nicht verstehen kann. Und es erzählt davon, dass jeder Wunsch nach Verwandlung eine Gefahr in sich birgt, dass man sich verliert in dem Wunsch, in der Sehnsucht nach Verwandlung und nicht mehr zurückfindet ins eigentliche Leben, das man zu leben hat.
Wie sehr haben wir diese Sehnsucht nach einer Verwandlung unseres Lebens? Unseres und des der anderen?
Die Verwandlung des Kreuzes in den Stamm des Lebens, die Verwandlung des gekreuzigten Jesu in den Auferstandenen, die Verwandlung der Passion in Ostern, all dies -auch unser Wunsch nach Verwandlung - geht durch den Tod, durch den Schmerz hindurch.
Und da ist kein Zauberspruch, sondern nur das Wort Gottes, das das Kreuz zum Beginn des Lebens macht, noch still wie am Anfang, ein leises „Fürchte dich nicht, werde“, mit Hoffnung versetzt: Mutabor: ich werde verwandelt werden. Amen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen