Gottesdienst zur Südkonferenz 16. März 2018
Ein Kreuz
Passionszeit. Das Bild zeigt ein Kreuz.
Es stammt von der Berliner Künstlerin: Julia Antonia.
Das Kreuz ist eine Grundform des
Lebens, denn im Leben überkreuzt sich immer etwas. Die Kunst hat das Kreuz
kultiviert und früh hat die Religion das Kreuzförmige als Symbol aufgenommen. Die
Urform: Zwei Linien, zwei Balken, quer und hochkant miteinander, verbunden sind
sprechend für menschliche Sehnsüchten zwischen Himmel und Erde, zwischen den
Gewalten.
Durch Jesu Tod ist das Kreuz Symbol und
Zeichen des Christentums und in die Verbindung von Himmel und Erde tritt eine eigene
Dimension: Der Tod Jesu als Verbindung von Himmel und Erden, Gott und Mensch.
Außer auf Golgatha gibt es Kreuze an
vielen Orten: Draußen, am Hals, in Kirchen. Es gibt Kreuze als Schmuck ganz
ohne christliches Bewusstsein und es gibt im Bekreuzigen: Ein Mensch
unterstellt sich der fast unheimlichen Kraft, die dem Tod Jesu entspringt.
Die Form des Kreuzes unserer Künstlerin
ist ein doppeltes Kreuz: Ein weißes Innenkreuz und ein buntes Außenkreuz.
Das Innere tritt erst allmählich, aber
dann dominant in den Blick; es ist sehr schlicht, ganz reduziert, alleine die
pure Form. Anders ist das äußere Kreuz, es dominiert. Es gibt dem Kreuz auch
eine kleine dreidimensionale Form. Es sind 26 Einzelteile, 26 bunte Holzplatten,
auf die die Künstlerin 26 Gesichter eingeprägt hat.
Diese Holzplatten sind gleichmäßig zu
einer Kreuzform angeordnet, die Holzplatten sind alle quadratisch. Fast möchte
man sagen: Quadratisch. Praktisch. Gut. Dieses Kreuz besteht aus dem, was nicht
zum Kreuz passt: Aus Gleichförmigem, aus Ebenmäßigem, aus Ordnung. Am Kreuz gerät
aber die Welt aus Form und Fugen.
farbig
Dieses Kreuz ist durch seine
verschiedenen Farben bunt und bunt passt eigentlich auch nicht in die Passionszeit.
Wenn das Kreuz dargestellt wird oder wenn wir es uns vorstellen, wie Jesus
daran hing und hängt, dann ist das Kreuz selbst einfarbig, braun, schwarz,
grau, wie sich alles Geschehen des Leidens in uns dunkel abschattet. Nur
nachträglich wird das Kreuz in der im Handhaben bunter, zumindest silbern oder
golden.
In der biblisch überlieferten
Passionsgeschichte spielen Farben auch keine Rolle, als sei diese Leidenszeit
ausgelaugt, farblos, wie entfärbt. Es wird nur erzählt vom roten Purpurmantel
des Spotts und wir stellen uns natürlich das Blut Jesu rot vor und seinem Leib
unendlich blass.
Unser Kreuz ist aber absichtlich bunt
gemalt, alle diese Quadrate mit ihren skizzenhaften Gesichtern haben eine Farbe
und bei ganz genauem Hinsehen hat jedes Quadrat, jedes Gesicht seine eigene
sozusagen ganz individuelle Farbe.
Warum soll das Kreuz so aussehen? Will
die Künstlerin das Kreuz färben, verwandelt, freundlicher, froher machen?
Eigentlich heißt es nur: Das Kreuz besteht aus Farben, aus all unseren Farben,
aus der Buntheit des eigenen Lebens, aus dem Rot der Liebe, dem Grün der
Hoffnung, dem Blau des Himmels, dem Schwarz der Trauer, dem Gelb der Sonne. All
dies ist jetzt am Kreuz, es will mitgekreuzigt werden.
Gesichter
Auf den bunten quadratischen Holzplatten
sind 26 Gesichter. Von wem es die Gesichter sind, wissen wir nicht; es sind uns
unbekannte Gesichter, aber sie werden uns bekannt, indem wir sie anschauen.
Die Künstlerin unseres Kreuzes hat
diese Gesichter, diese Portraits „gemalt“, sie hat diese Gesichter angeschaut
und dann blind, in einer Art mentalen Annäherung auf monochrome Holzplatten
eingraviert.
In den Gesichtern der Darstellung der
Passionsgeschichte spiegelt sich das Geschehen wieder und wird ablesbar. Und
das ganze Geschehen konzentriert sich im Gesicht des gekreuzigten Jesu. Alles
zeichnet sich in ihm ab.
Welche Gesichter sind uns aus der
Passionsgeschichte eingeprägt? Neben dem von Jesus? Die Gesichter der Soldaten,
das Gesicht des Pontius Pilatus, das Gesicht der Frauen und Männer um Jesus,
das Gesicht Marias, das Gesicht des Petrus, das Gesicht der Räuber links und
rechts von Jesus, das Gesicht der Volksmenge, der Vorbeigehenden? All diese
Gesichter sind irgendwie auch am Kreuz, ähnelt eines davon den Gesichtern, die
da bunt ans Kreuz gemalt sind?
Und unser eigenes Gesicht, das wir
vermeintlich wie keines kennen, das unseres ist, das sich schon so sehr
verändert hat in seinen Jahren, das aber immer unseres bleibt, wem ist es
ähnlich? Von den Gesichtern am Kreuz?
Mutabor
Die Künstlerin hat ihrem, unserem Bild
einen Titel gegeben: „Mutabor – ich werde verwandelt werden.“
Das große Verwandeln passt nicht zur
Passionszeit, es geschieht doch erst nach dem Kreuz, wenn der Leichnam herunter
genommen ist, wenn er im Grab liegt, wenn die Auferstehung kommt. Aber für die,
die an der Passion beteiligt sind, bedeutet das Kreuz aber schon Verwandlung:
Für die Jünger verwandelt sich die Hoffnung in Resignation, für Jesus verwandelt
sich der eigene Glauben hin bis zum Rande des Zweifels, für Gott verwandelt
sich Liebe in Hass.
Und die ganze Passion hat die Welt doch
irgendwie verwandelt. Ohne die Passion, ohne den Tod Jesu, ohne, dass Gott ans
Äußerste gegangen wäre, wäre die Welt nicht die, die sie heute ist. Oder doch?
Jede Passionszeit ist Zeit der Verwandlung, schreiten wir diesen Wochen-Weg ab
und spüren, es kann uns doch nicht unverwandelt lassen. Vielleicht nicht
radikal, aber doch werden wir nach diesen Wochen irgendwie auch andere werden
müssen. Ja, mutabor: ich werde verwandelt werden-
„Mutabor“
ist ein Wort aus dem Märchen „Kalif Storch“, und hier ist „Mutabor“ der
Zauberspruch:
Wer von dem Pulver in dieser Dose schnupft und dazu spricht: Mutabor, der kann sich in jedes Tier
verwandeln und versteht auch die Sprache der Tiere.“
Dieses Märchen und das Kreuz Jesu,
beides aus der Welt des Orients, aber größer könnte der Abstand nicht sein; die
Passion ist kein Märchen, Jesus keine Märchengestalt, es geht nicht ums
Zaubern, nicht um Unterhaltung, sondern um den Tod des Lebens und um unsere
eigenen Ernst dabei
Und doch erzählt „Mutabor“ von der
Sehnsucht der Menschen, verwandelt zu werden, etwas anderes für bestimmte Zeit
zu sein, und etwas zu verstehen, was man vorher und eigentlich nie und
überhaupt nicht verstehen kann. Und es erzählt davon, dass jeder Wunsch nach
Verwandlung eine Gefahr in sich birgt, dass man sich verliert in dem Wunsch, in
der Sehnsucht nach Verwandlung und nicht mehr zurückfindet ins eigentliche
Leben, das man zu leben hat.
Wie sehr haben wir diese Sehnsucht nach
einer Verwandlung unseres Lebens? Unseres und des der anderen?
Die Verwandlung des Kreuzes in den
Stamm des Lebens, die Verwandlung des gekreuzigten Jesu in den Auferstandenen,
die Verwandlung der Passion in Ostern, all dies -auch unser Wunsch nach
Verwandlung - geht durch den Tod, durch den Schmerz hindurch.
Und da ist kein Zauberspruch, sondern nur
das Wort Gottes, das das Kreuz zum Beginn des Lebens macht, noch still wie am
Anfang, ein leises „Fürchte dich nicht, werde“, mit Hoffnung versetzt: Mutabor:
ich werde verwandelt werden. Amen.
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